Nachlese Verkostung Toskana im Laufe der Zeit
 

Nachlese Verkostung Toskana im Laufe der Zeit

 

"Es gibt ein Leben vor uns ein nach Soldera Brunello di Montalcino Riserva 1990!"


Toskana im Laufe der Zeit war das Thema der ersten Verkostung im Jahr 2024 und das Weinjahr hätte nicht besser starten können. Wir haben uns an diesem Abend im wesentlichen auf drei Gebiete fokussiert: Chianti Classico, Brunello di Montalcino und Bolgheri.

Klimatisch kann man die Toskana ganz grob in zwei Gebiete unterscheiden. Die Gebiete rund um die Küste am Tyrrhenischen Meer sind durch die Winde und sandige sowie tonhaltige Böden vor allem für die internationalen Rebsorten wie Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc prädestiniert. Kein Wunder also, dass vor allem aus dem Bolgheri sehr viele der „Super-Tuscans“ kommen, also Weine die gerade von diesen Trauben geprägt sind. Je näher es zum Apennin geht, desto höher werden einerseits die unterjährlichen Temperaturschwankungen aber auch die Bodenbeschaffenheit. Während am Meer die reichhaltigen Böden vorkommen, wird es Richtung Landesinnere immer karger und anspruchsvoller. Perfekter Nährboden also für den Sangiovese!




DIE EINZELNEN FLIGHTS IM DETAL

Antinori Tignanello 1987
Antinori Solaia 1987

Gestartet haben wir im ersten Flight mit Tignanello und Solaia 1987. Ein Weingut, zwei Weinberge. Tignanello gibt es inoffiziell seit 1971, mit 1975 gab es den ersten am Markt verfügbaren Wein. In den ersten Jahren noch beinahe zu 100% aus Sangiovese vinifiziert, änderte sich spätestens mit 1982 die Zusammensetzung aus 80% Sangiovese und 20% Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Lediglich die Ausbauart hat sich in den letzten 35 Jahren verändert, denn während am Anfang noch in großer slawonischer Eiche ausgebaut wurde, sind es mittlerweile hauptsächlich Barriques und die zum Großteil neu und aus amerikanischer Eiche.

Im anderen Glas Solaia 1987. (Uns war es bei dieser Verkostung generell wichtig einige Jahrgänge Solaia zu zeigen, denn unserer Meinung nach gibt es keinen Supertuscan der den Moden der Weinbereitung über die Jahre hinweg so stark gefolgt ist wie Solaia.) Solaia ist eigentlich ein Zufallsprodukt, denn 1978 gab es in einem Jahr einen Überschuss an den Cabernets, die eigentlich für Tignanello bestimmt waren. So wurden die Rebsorten aus Experimentierfreuden heraus separat ausgebaut, der Rest ist Geschichte.
Beide Weine haben trotz ihres mittelmäßigen Jahrgangs überzeugt, wobei Solaia durch seine Frische wirklich beeindruckt hat und für viele schlussendlich am Podest des Abends stand.


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Gaja - Pieve Santa Restituta Brunello di Montalcino Sugarille 1999
Antinori - Pian delle Vigne Brunello di Montalcino 1999

Im zweiten Flight hatten wir zwei moderne Vertreter des Brunello im Glas und zwei Weingüter die man am ersten Blick nicht mit Montalcino in Verbindung bringt: Gaja und Antinori.
Beide Familien haben Mitte der 1990er Weingüter gekauft und keltern ,mit Pieve Santa Restituta und Pian delle Vigne, Weine die früher zugänglich sein sollen als es zum Beispiel die Brunelli im nächsten Flight sind.


Pieve Santa Restituta ist Gajas kleinstes Weingut und führt mit dem Brunello di Montalcino Rennina eine Lagencuvee aus drei Weingärten und mit Sugarille einen Einzellagen Brunello, der in unmittelbarer Nähe zu Solderas Case Basse liegt. Trotz des spürbaren Holzeinsatzes war Sugarille eine wirklich tolle Flasche die überrascht hat, keine Spur von Alterung mit kernigem Säuregerüst. Antinoris Pian delle Vigne war zwar nicht hinüber, konnte aber durch Rumtopf-Aromatik, wenig Säure und Tannin nicht mehr so überzeugen, auch die Farbe war hier deutlich heller.


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Biondi-Santi Brunello di Montalcino Riserva 1990
Soldera Brunello di Montalcino Riserva 1990

Bei Wein Nr 5 und 6 des Abends sind wir aber dann schlagartig im Olymp der Weinwelt angekommen. Die zwei Großmeister des Brunello di Montalcino Soldera und Biondi-Santi. Während Soldera, ein ehemaliger Börsen-Broker, erst Mitte der 1970er das Weingut gekauft und seitdem einen der berühmtesten Weine der Welt produziert, ist die Familie Biondi-Santi DIE Adelsfamilie in der Region. Seit dem frühen 19. Jahrhundert wird von ihnen Wein produziert und mit 1888 auch den nachweislich ersten Brunello di Montalcino. Seither gab es lediglich 42 Riserve, die alle separat von den restlichen Weinen in einer eigenen Bibliothek der „La Storica“ reifen, bis sie den perfekten Reifepunkt erreichen. Ein großer Wein, der aber doch neben Soldera im Schatten stand.

Wenn man zum Weingut Soldera fährt, hat dies wenig mit der romantischen Vorstellung eines Weinguts in der Toskana zu tun. Es gibt große Sicherheitstore, Kameras an jedem Eck. Kurzum, man fühlt sich im ersten Moment nicht sonderlich wohl. Diesen Gegebenheiten liegt ein tragischer Fall im Jahr 2012 zu Grunde, als ein - wie man mittlerweile weiß - eifersüchtiger Mitarbeiter ganze sechs Jahrgänge Brunello vernichtetete, in dem er einfach die Weinfässer öffnete und die teuren Weine sprichwörtlich im Gulli versenkte. Gianfranco Soldera, der 2019 in Mitten seiner Weingärten verstab, hat mit seinem Brunello di Montalcino 1990 ein Monument an Wein hinterlassen.
Für viele Gäste und auch uns selbst, war dieser Wein einer der besten, wenn nicht der beste Wein den wir jemals getrunken haben! Nach dem Öffnen der Flasche noch extrem verschlossen, mit saftigem aber kernigen Tannin, entwickelte sich dieser Wein zu einem Aroma-Feuerwerk der Extraklasse. Dunkel, dicht aber mit hellen Beeren in der Nase. Am Gaumen die perfekte Kombination aus Säure, Frucht, Tannin und im Abgang minutenlang. Selbst das leere Glas duftet 40 Minuten später noch immer nach diesem Rebsaft. Ein Gänsehaut-Moment für alle Weinliebhaber!


Das Siegerpodest der Verkostung (von links nach recht: Platz 2, Platz 1, Platz 3)

Tenuta dell'Ornellaia Masseto 2000
Antinori Solaia 2000

Nach einer kurzen Verschnaufpause und italienischer Jause haben wir thematisch einen großen Schritt gemacht und mit zwei Weinen aus dem Jahr 2000 eine andere Generation des Weinmachens kennengelernt. Bolgheri und Chianti im Vergleich, waren sich doch beide Weine nicht so unähnlich und wir waren erstaunt wie griffig und kompakt Masseto war! Solaia als sehr moderner Vertreter mit viel Vanille- und Holztönen, am Gaumen bereits etwas spröde und vermutlich den Peak bereits hinter sich, ist Masseto aktuell sehr schön zu trinken ist und wird mit Luft noch fester und dichter.

Ornellaia wurde 1981 von Lodovico Antinori, dem Neffen des Sassicia-Vaters Mario Incisa della Rocchetta, mit dem Ziel einen weiteren Supertoskaner zu produzieren, gegründet. Während Sassicaia aber vor allem auf Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc setzt, sollte Ornellaia ein Wein mit einem guten Merlot-Anteil werden, um sich von seinem bereits damals berühmten Nachbarn zu differenzieren.
Aus einem Experiment heraus wurde 1986 dann der erste reinsortige Merlot, damals noch "Merlot dell`Ornellaia" gennant, vinifiziert und separat ausgebaut. Aufgrund der herausragenden Resonanz gab es schließlich mit 1987 den ersten kommerziellen Masseto und der Rest ist auch hier Geschichte. Eine Konsequenz dessen ist aber schlussendlich ironischerweise die Zusammensetzung des Ornellaia, der je nach Jahrgang nur um die 30% Merlot beinhaltet statt den ursprünglich geplanten knapp 50%.


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Tenuta San Guido Sassicaia 2014
Tenuta dell'Ornellaia Ornellaia 2014


Im Flight der beiden 2014er war es uns ein Anliegen Sassicaia und Ornellaia miteinander zu verkosten, beiden Weinen merkt man das schwierige Weinjahr an: Noch immer recht unreif, viel grüne Aromen, recht kurz und holzdominiert. Innerhalb des Line-Ups sicher der schwächste Flight und ob sich die Weine noch regenerieren, wird nur die Zeit zeigen. Sassicaia, im Besitz von knapp 42ha Weingärten, wurde 1944 gepflanzt, von 1945 bis 1967 ausschließlich für Freunde&Familie gedacht, gab es mit 1968 den ersten Wein offiziell am Markt.

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Fontodi Flaccianello 2016
Antinori Solaia 2016

Zu guter Letzt ein Zweier-Flight mit je 100 Robert Parker Punkten. Zwei wiederum sehr moderne Vertreter ihrer Zunft und mit dem Überjahrgang 2016, der auch sicherlich viel zum aktuellen Hype der Supertoskaner beigetragen hat, zwei Produzenten, die sich dessen wohl bewusst sind. Solaia, der seit Beginn der 1980er Jahr in seiner Cuveetierung wenig verändert hatte, steht einem reinsortigen Sangiovese gegenüber. Bis 2001 war Flaccianello immer Einzellagen-basiert. Seither aber aus den besten Trauben des Weinguts vinifiziert und in französischen Barrique ausgebaut.

Zwei sehr, sehr gute, aber sehr üppige Weine, die noch immer stark holzdominiert sind und beinahe tiefschwarz ins Glas kommen. Das Potential sehen unisono alle Gäste aber selbst nach diesen Weinen hat man noch immer Soldera Brunello di Montalcino Riserva 1990 am Gaumen. Was für ein Abend!