Vor dem Genuss des Weins kommt das Öffnen der Flasche und das kann bei gereiften Weinen durchaus tricky sein und wir werden immer wieder gefragt, wie man am besten an die Sache herangeht.
Mit unserer Step-by Step-Anleitung auf Basis jahrelanger Erfahrung und einigen Tipps und Tricks kann kaum mehr etwas schiefgehen damit die edlen Tropfen auch sicher ins Glas kommen.
'GOOD TO KNOW' VOR DEM ÖFFNEN GEREIFTER WEINE
Das spannende an gereiften Weinen sind sogenannte Sekundär- und Tertiäraromen, die sich durch die Lagerung und Reifung entwickelt haben. Die Primäraromen der Frucht (Traube) rücken dabei in den Hintergrund oder sind gar nicht mehr erkennbar. Die Voraussetzungen für die Entwicklung von spannenden Sekundär- und Tertiäraromen sind ein hervorragendes Terroir sowie ausgezeichnete Arbeit in Weingarten und Keller. Nicht jeder Wein wird daher mit der Zeit besser bzw. ist für eine längere Lagerung gedacht.
Bitte nicht vergessen, dass Kork ein Naturprodukt ist und dieser nach z.B. 30 Jahren Lagerung durchaus porös oder durchnässt sein kann. Das ist nicht zwangsläufig ein Problem und kann den Wein in der Flasche durchaus unbeeindruckt lassen. Natürlich spielen eine gute Lagerung und eine Top-Kork-Qualität dabei eine entscheidende Rolle. Aber selbst bei sehr hochwertig produzierten Weinen kann es trotz guter Lager und gutem Kork zu Ermüdungserscheinungen des Korks kommen. Das ist die Natur der Sache.
Vor allem bei gereiften Rotweinen kann es mit zunehmendem Alter zu natürlichen, reifebedingten Ablagerungen (Gerb- und Farbstoffe) kommen. Diese sogenannte Depot ist keineswegs eine Beeinträchtigung des Weines, aber der richtige Umgang damit ist für den uneingeschränkten Genuss wichtig.
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1. RECHTZEITIGE VORBEREITUNG DER FLASCHE
Gereifte Weinflasche mindestens 24 Stunden vor dem Öffnen in eine senkrechte Position bringen, damit sich die Sedimente am Flaschenboden sammeln. Falls der Wein nicht im eigenen Haushalt getrunken wird, am besten vorab an die gewünschte Adresse bringen und den Host mit der richtigen Lagerung des gereiften Weines bis zu Verkostung instruieren. Falls der Wein kurz vor dem Genuss transportiert wird, Erschütterungen vermeiden und aufrecht transportieren, damit die Sedimente nicht wieder aufgewirbelt werden.
Sofern möglich, die Weinflasche bereits am Vortag der Konsumation auf Serviertemperatur bringen. Moderne Weinkühlschränke haben in der Regel zwei Temperaturzonen und auch Haushaltskühlschränke haben unterschiedliche Temperaturbereiche. Bei Rotweinen ist oft die Kellertemperatur oder die eines kühlen Abstellraums geeignet.
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2. DAS RICHTIGE WERKZEUG IN GRIFFWEITE
Es gibt eine Reihe von Werkzeugen und Utensilien die beim Öffnen gereifter Weine hilfreich sind, aber nur dann wenn sie griffbereit sind. Das wichtigste Tool: The Durand, der Beste unter den Federzungen- oder auch Spangen-Korkenziehern. Er ist gerade bei gereiften Weinen die erste Wahl. Seine zwei unterschiedlich langen Zungen im Abstand der Weite eines Flaschenhalses an der Innenseite sorgen dafür, dass der Korken unverletzt bleibt. Falls kein Spangen-Korkenzieher im Haushalt vorhanden, dann empfehlen wir ein einfaches Kellnermesser (Spindelkorkenzieher). Je länger die Spindel, desto besser.
In Griffweite sollte man ausserdem haben:
# Ein einfaches Kellnermesser
# Eine Karaffe
# Einen Teefilter oder feines Baumwolltuch
# Einen Trichter
# Ein Geschirrtuch oder eine Serviette
# (Smartphone)-Taschenlampe oder Kerze
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3. ANALYSE DES KORKS
Kapsel mit dem Kellnermessen abschneiden. Gegebenenfalls kann ein vollständiges Entfernen der Kapsel hilfreich sein. Kork visuell begutachten und mit dem Daumen sehr sachte (!) drücken. Fühlt er sich trocken und porös an, scheint er am Flaschenhals zu kleben oder ist er durchnässt und sitzt nur mehr ganz locker? Diese Erkenntnisse sind bei den folgenden Schritten und der Wahl des Werkzeuges hilfreich.
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4. FLASCHE MIT THE DURAND ÖFFNEN
Wir empfehlen bei gereiften Weinen immer auf Nummer sicher zu gehen und den besten Federzungen-Korkenzieher zum Öffnen zu verwenden. Wie 'The Durand' anzuwenden ist und worauf bei der Bedienung geachtet werden muss, zeigt uns Julius in einem kurzen Demovideo:
4a. ALTERNATIVE KELLNERMESSER
Falls 'The Durand' nicht verfügbar ist, das Kellnermesser nehmen und die Spindel in den Kork drehen. Ganz langsam Heraushebeln, die hoffentlich vorhandenen zwei Gelenke des Kellnermessers nutzen und im Zweifelsfall auch mal pausieren. Möglichst wenig Seitendruck auf den Korken ausüben. Nicht übermütig werden wenn die ersten 2/3 des Korks sich gut herausziehen lassen, der Kork reißt leider meistens erst im letzten Drittel. Sollte der Kork sehr porös wirken, die Spindel eher ein wenig seitlich in den Korken drehen. Bei hartnäckigen Fällen können Mutige auch zwei Spindelkorkenzieher nebeneinander in den Korken drehen.
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5. DER KORK IST DOCH GERISSEN ODER IN DIE FLASCHE GERUTSCHT - WAS NUN?
Das wichtigste: entspannt bleiben, das ist jedem/jeder Weinliebhaber/Weinliebhaberin schon passiert und überhaupt kein Malheur! Im Falle eines gerissen Korken zuerst behutsam versuchen dein restlichen Kork mit Durand oder Kellnermesser herauszuziehen. Falls das nicht gelingt, den restlichen Kork, der noch im Flaschenhals steckt einfach #schmerzbefreit mit einem stumpfen Gegenstand (z.B: umgedrehter Kochlöffel) in die Weinflasche drücken. Falls ein Teil oder der ganze Kork in der Flasche befindet, unbedingt den Wein behutsam durch einen Teefilter dekantieren (siehe Punkt 6).
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6. DEKANTIEREN
Dekantieren bitte nicht mit Karaffieren verwechseln: Beim Karaffieren geht es um die Belüftung des Weins um diesen durch den Zufuhr von Sauerstoff zugänglicher zu machen. Bei gereiften Weinen ist dies in der Regel nicht erforderlich und sollte nur mit Vorsicht gemacht werden. Bei langsamen Genuss ist es sehr spannend, eine mögliche Entwicklung im Glas zu beobachten und bei besonders reifen Weinen besteht durch zu langen Kontakt mit Sauerstoff das Risiko dass der Wein in sehr kurzer Zeit 'stirbt'.
Das Dekantieren dient im Gegensatz zum Karaffieren zum Trennen des Depots vom Wein. Zuerst die Flaschenöffnung innen und aussen mit einem sauberen Tuch säubern. Dann den Wein langsam und vorsichtig mit Hilfe eines sauberen Trichters in eine Karaffe füllen und dabei darauf achten wann sich das gegebenenfalls vorhandene Depot Richtung Flaschenhals bewegt. Ein Licht im Hintergrund der Flasche hilft dabei, es nicht zu übersehen. Dabei kann eine Kerze, ein Handy-Licht oder ein weißes Blatt Papier hilfreich sein. Falls Kork(Reste) in der Flasche gelandet sind, empfehlen wir einen einfachen Teefilter, denn Sie in den Trichter hineinlegen, damit keine Korkbrösel oder Sedimente später im Glas und im Mund landen.
Zum Schluss den Restwein inklusive Depot aus der Flasche leeren. Das Depot vom Wein kann übrigens sehr gut zum Kochen weiterverwendet werden. Flasche sauber auswaschen und abtropfen lassen. Wein vorsichtig wieder in die Flasche zurück füllen und bis zum Servieren kühl lagern.
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8. ABSCHLIESSENDE TIPPS
Zum Thema richtige Trinktemperatur haben wir einen separaten Tipp verfasst. Beim Servieren ganz wichtig: nicht vergessen Gläser vorher auf Geruch zu prüfen und idealerweise zu avinieren (Glas mit einem einfachen, möglichst neutralen Wein ausspülen).
Wir wünschen Gutes Gelingen beim Öffnen und viel Spaß mit gereiften Weinen im Glas!
#wartenlohntsich #schmerzbefreitöffnen #schmerzbefreittrinken