Was sollte eine Flasche Wein mindestens kosten?
 

Was sollte eine Flasche Wein mindestens kosten?

 
Für gute Weine muss man kein Vermögen ausgeben, kann man aber. Die Preisspanne zwischen soliden Weinen und ikonischen Tropfen ist mehr als groß und kann jedenfalls nicht mehr mit einem Qualitätsunterschied erklärt werden. Ab einem gewissen Preisniveau bestimmt im Wesentlichen das Prinzip von Angebot und Nachfrage die Preisentwicklung. Nachdem diese Nachfrage nach bestimmten Weinen aufgrund zusätzlicher Märkte stetig steigt, die entsprechenden Weinberge aber leider nicht wachsen, sehen wir mitunter explosionsartige Preisentwicklungen. Aber das ist ein anderes Thema.

Wir wollen Bewusstsein schaffen, dass es einen gewissen Mindestpreis für eine Flasche Wein gibt, wenn dieser unter fairen Arbeitsbedingungen und durch ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung produziert wurde. Wirtschaftliche Absicherung aller in der Wertschöpfungskette Beteiligten ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Wir beschäftigen uns in diesem Artikel mit den wichtigsten Faktoren, die den Preis einer Flasche Wein im Einzelhandel beeinflussen und diskutieren, woher etwaige monetäre Unterschiede herrühren können.

EINIGE SCHLUSSFOLGERUNGEN VORWEG:

-> Nachhaltige Herstellung ist für das Naturprodukt Wein entscheidend wenn wir es dauerhaft geniessen wollen
-> Ein für Umwelt und Gesellschaft nachhaltig und fair produzierter Wein kann im Einzelhandel nicht unter 15 Euro kosten
-> Bei Verkauf ab Hof sollte der Preis nicht wesentlich unter 10 Euro liegen
-> Günstigere Weine können mitunter auch geniessbar schmecken, aber nicht natürlich und nachhaltig produziert werden
-> Produzenten müssen mit Gewinnen in 'normalen' Jahren auch Ernteausfälle in schlechten Jahren kompensieren

 



 

DIE BASIS: REIFE TRAUBEN UND IHR PREIS

Die Traube ist das Ausgangsprodukt für Wein. Der Preis für das Land, der jährliche Arbeitsaufwand für die Bewirtschaftung, Witterungsbedingungen, sowie Angebot und Nachfrage sind Faktoren, die den Traubenpreis bestimmen.

LANDPREIS
Prinzipiell sind Reben relativ anspruchslose Pflanzen und gedeihen in einem weiten Spektrum von Böden und Klimata. Wirklich gute Trauben stammen aber nur von den passendsten Terroirs und die gibt es nicht wie Sand am Meer. Aus diesem Grund schwanken die Anschaffungskosten für Top-Weingärten je nach Potential und Verfügbarkeit erheblich. Während der der Hektar Weingarten in Frankreich in einem Gebiet ohne AOC durchschnittlich 15.000 Euro kostet, werden an der Côte d’Or für einen Hektar Grand Cru bis zu 7 Millionen Euro aufgerufen. Im Vergleich kostet dieselbe Fläche am Wachauer Loibenberg zwischen 300.000 und 700.000 Euro. Prestigeträchtige Herkünfte müssen sich also auch im Traubenpreis niederschlagen.

ARBEITSAUFWAND
Moderne Technologie hat es möglich gemacht, auch qualitativ hochwertige Trauben durch maschinelle Bearbeitung und Ernte zu erhalten. In vielen der besten Weingärten können diese aber nicht verwendet werden, weil entweder die Topografie oder das Weingartendesign inklusive Pflanzdichte und Erziehungsform diese Arte der Bearbeitung ausschließen. Deshalb ist Handarbeit in vielen Betrieben, die hochwertige Weine herstellen, nach wie vor die Regel. Wo Qualität Groß geschrieben wird, wird zusätzliche Zeit in die Pflege der Reben und Trauben gesteckt, indem Laubarbeit, Stockpflege und eventuell Ausdünnung vorgenommen wird. Dieser hohe Arbeitsaufwand spiegelt sich letztendlich im Traubenpreis wieder, vor allem, wenn Weingartenarbeiter gut und fair bezahlt werden. Wer nachhaltig, biologisch oder biodynamisch arbeiten möchte, muss außerdem mit zusätzlichen Kosten rechnen. Untersuchungen der Landwirtschaftskammer der Gironde (Bordeaux) zeigen, dass die Produktionskosten für Bio-Weine um 28 Prozent höher sind, was hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen ist: eine durchschnittliche Reduzierung der Produktionsmengen um 20 % und höhere Arbeitskosten.

Je nach Rigorosität des Pressens werden für eine Flasche Wein zwischen 0,9 – 1,5kg Trauben benötigt. Früh gelesene, simple Qualitäten aus einfach zu bewirtschaftenden Lagen sind in Österreich ab 30 Cent auf dem Markt verfügbar. Wo unter günstigen Bedingungen im großen Stil maschinell gearbeitet und geerntet werden kann, beispielsweise in bestimmten Gebieten Italiens, Spaniens und Teilen der Neuen Welt, kann dieser Preis sogar noch deutlich unterboten werden. Dafür kann aber kein großer Wein erwartet werden. Ansprechende Qualitäten benötigen geeignetes Terroir, kontrollierte Erträge und sorgfältige Arbeit im Weingarten. Die Champagne ruft mit 8 Euro den weltweit höchsten durchschnittlichen Kilopreis auf. Ein Kilo Trauben vom ikonischen To Kalon Weingarten in Napa kostet über 30 Euro, die günstigste Flasche, die diesen Namen trägt, ist um 150 Dollar auf dem Markt.

Feine Trauben-Qualitäten sollten realistisch gesehen daher mindestens 4 Euro netto des Flaschenpreises ausmachen.

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ARBEIT UND TECHNIK IM WEINKELLER

Simple Weine verlassen das Weingut schon nach wenigen Wochen wieder, weshalb die Produktion im Keller eines Basisweins unter einem Euro beträgt. Gärung, Ausbau und Reifung bei komplexeren Tropfen dauern hingegen deutlich länger. Die langsame und aufwendigere Produktionsweise trägt zu zirka 2 Euro je Flasche der Kosten bei. Zudem kosten neue, hochwertige Barriques um die 800 Euro das Stück, wenn die Weine darin über eine längere Periode hinweg lagern, verdunsten bis zu 5% der Flüssigkeit im Jahr. Holzausbau erhöht die Produktionskosten daher um 3 Euro pro Flasche, wenn jedes Jahr neue Fässer angeschafft werden. Winzer:innen können die Kosten reduzieren, indem sie Fässer öfter verwenden oder verkaufen, trotzdem macht Holz eine große Kostenstelle im Weinkeller aus. Billige Alternativen wie Holz-Chips und ähnliches haben leider nicht den gleichen qualitativen Effekt auf Wein und sind deshalb nicht für Flaschen mit Reifepotential geeignet.

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VERPACKUNG: FLASCHE,  KORK & CO

Auch wenn es für Einstiegsweine günstige Verpackungsalternativen wie Tetra Pak, Dosen oder PET gibt, ist die Glasflasche für Weine die zur Reifung gedacht sind momentan unersetzbar. Standardformen und -farben sind für unter einen Euro erhältlich, ausgefallene Designs a la Krankl kosten natürlich auch auf Grund ihrer geringen Produktionsmenge deutlich mehr. Für hoch qualitative Korken müssen zwischen 1 und 2,50 Euro eingerechnet werden. Dazu kommen noch Etiketten, Kartons oder Holzkisten und sonstige Verpackungsoptionen. In Summe sollte zumindest mit 2 Euro gerechnet werden, um den Wein vernünftig und zweckmäßig zu verpacken.

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VERMARKTUNG DURCH PRODUZENTEN

„Der beste Wein, ist der verkaufte“, sagen viele Winzer mit einem Augenzwinkern. Und tatsächlich ist es so, dass Mundpropaganda in einem sehr dichten Markt allein nicht mehr reicht. Werbung, Auftritte auf Messen und Veranstaltungen, Fotomaterial, Kostflaschen, alles keine günstigen Unternehmungen. Je kleiner der Betrieb, desto höher sind diese notwendigen Vertriebs- und Werbungskosten im Verhältnis zur einzelnen Flasche. Wer lieber einen kleinen bis mittelständigen Familienbetrieb statt eines multinationalen Konzerns unterstützen will, sollte das im Budget mit mindestens 1 Euro pro Flasche einrechnen.

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TRANSPORT

Seit der Corona Pandemie sind Transportkosten, besonders Übersee bis zu 60% gestiegen und machen einen erheblichen Teil der Aufwendungen aus. Den Wein beim benachbarten Weingut zu kaufen, schont daher nicht nur die Umwelt sondern auch den Geldbeutel. Zu Zwischenhändlern gelangen Weine meist auf ganzen Paletten, was ein paar Dutzend Cent pro Flasche Aufpreis ausmacht. Von dort aus hingegen werden die Bestellungen in der Regel Kartonweise versendet, was sich einerseits oft in Mindestbestellwerten aber auch in Zusatzkosten widerspiegelt.

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MARGEN FÜR PRODUZENTEN UND HANDEL

Produzent:innen sind natürlich von angemessenen Profiten abhängig, insbesondere da es sich bei Wein um ein Naturprodukt handelt und ungünstige Witterungsverhältnisse den Ertrag auch mehrere Jahre hintereinander negativ beeinflussen können. Auch hier benötigen kleinere Betriebe einen prozentuell höheren Anteil pro Flasche als große Organisationen. 30% Rohgewinn sichern dem Weingut das Überleben auch in schlechteren Zeiten.

Um ihre Weine einer breiteren Masse einfach zugänglich zu machen brauchen Winzer:innen in der Regel die Unterstützung des Weinhandels. Übliche Rohmargen für ein profitables, nachhaltiges Geschäft liegen zwischen 15 und 40 %, je nachdem ob in die Gastronomie oder direkt an den Endverbraucher vertrieben wird. Davon muss der Handel natürlich auch seine gesamten Kosten für Personal, Lagerung, Marketing etc. abdecken.

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MEHRWERTSTEUER

Zu guter Letzt muss auch ein Anteil des Verkaufspreises an den Staat abgeführt werden. Immerhin 20% kommen in Österreich im Einzelhandel am Ende noch oben auf den Verkaufspreis drauf, während die glücklichen Portugiesen nur 13% - übrigens auch der österreichische Ab-Hof-Steuerssatz -  die Schweden hingegen stolze 25% abgeben müssen.